Arthur Lutze
*01. Juni 1813 Berlin, †11. April 1870 in Köthen

Sein Vater war Konsul des Kurfürstentums Hannover und Attaché General Wellingtons, seine Mutter die Tochter eines mecklenburgischen Hofpredigers aus Stettin. Er kam im hannoverschen Konsulat Unter den Linden zur Welt. Arthur war das vierte Kind der Eheleute. Sein älterer Bruder und zwei Schwestern starben bereits, bevor er geboren wurde. Im Alter von zwei Jahren brachten ihn seine Eltern auf das nach ihm benannte Gut Arthursberg bei Stettin. Er besuchte das Gymnasium in Stettin und eine Privatschule, das „Alumnat“ (Internat) in Bunzlau.

Lutzes Vater starb 1829. Arthur zog mit seiner Mutter nach Berlin, wo diese ebenfalls, 1830, verstarb. Verwandte ermöglichten ihm den Schulabschluss, konnten jedoch das von ihm gewünschte Theologiestudium nicht finanzieren. Er muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, eine Stelle bei der Post annehmen, was ihn mental nicht allzu sehr fordert. Seine geistigen Fähigkeiten drücken sich in Gedichten aus, welche trotz der darin enthaltenen, unfreiwilligen Komik, recht beliebt sind.

Da er ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein an den Tag legt, eckt er immer wieder bei seinen Vorgesetzten an und wird mehrfach versetzt. Die einzige Abwechslung im ungeliebten beruflichen Alltag sind seine selbstverfassten Gedichte und seine Versetzungen von Poststation zu Poststation. Trotz seiner Aufmüpfigkeit wird er schließlich vom Postschreiber zum Postsekretär befördert.

Als er noch Postschreiber in Nordhausen war, wird er Zeuge, wie sich geheilte Patienten bei einem homöopathischen Arzt bedanken und beschließt, sich der Leiden seiner Mitmenschen anzunehmen, da dies seinen Vorstellungen eines sinnvollen Lebensinhaltes mehr entgegen kommt, als der Dienst bei der Postverwaltung.

Über Nordhausen, Eberswalde, Erfurt, Halberstadt, Stettin, Berlin, Halle und Cottbus führt in sein Beruf schließlich nach Langensalza. Überall versucht er, Menschen um sich zu scharen, denen er literarische Vorlesungen hält. Während seiner Zeit in Berlin nimmt er an medizinischen und philosophischen Vorlesungen teil.

1841 erkrankt Lutze an einem heftigen Nervenfieber und wurde von den damaligen allopathischen Ärzten aufgegeben. Ein homöopathischer Arzt, Dr. Blau aus Gotha heilte ihn und rettete damit sein Leben.

In Langensalza entdeckte er einen Kassenfehlbestand von 200 Talern. Ehrlich und naiv, wie er war, glaubte er an einen Rechenfehler, vermerkte den Fehlbetrag in den Unterlagen und verließ das Büro. Man hält ihn für den Betrüger, obwohl seine Vorgesetzten nicht an eine Schuld Lutzes glauben, und verurteilt ihn zu zwei Jahren Festungshaft.

Er kämpfte mit aller Kraft gegen das gegen ihn verhängte Urteil an, bis er einen Freispruch erwirkt. Als seine Unschuld bewiesen war, (ein Handwerksgeselle wurde der Tat überführt) wurde er rehabilitiert und man wollte ihn wieder in seiner alten Stelle einsetzen. Lutze hatte sich jedoch mittlerweile bereits so stark in die Homöopathie vertieft, dass er auf keinen Fall mehr in sein Amt zurückkehren wollte und schied 1843 aus dem Postdienst aus.

Als Samuel Hahnemann am 2. Juli 1843 starb, verfasste Lutze einen Nachruf, den er „Hahnemann’s Todtenfeier“ nannte. Diese Rede hielt er mehrmals an verschiedenen Orten und ließ sie auf eigene Kosten drucken. (Das Büchlein erschien bis 1903 in 47 Auflagen)

Im Dezember des gleichen Jahres bot der Regierungsrat Wilhelm von Türk dem inzwischen recht bekannten Lutze an, die Leitung einer homöopathischen Heilanstalt für Arme in Klein-Glienicke zu übernehmen. Er stellte dafür ein in seinem Besitz befindliches Haus zur Verfügung, welches fortan unter dem Namen Hahnemannia bekannt wird. Es werden eine große Zahl Kinder armer Eltern aufgenommen, um sie zu heilen, oder wenigstens zu essen zu geben. Obwohl Lutze keinerlei Nachweise homöopathischer Fähigkeiten vorweisen kann, heilt er ab 1844 nachweislich Scrofulose bei Kindern innerhalb von drei Wochen vollständig. Die meisten Kranken behandelt er kostenlos. Bis Mai 1844 werden mehr als 1500 Patienten geheilt. Täglich suchen 70 bis weit über 100 Kranke die Anstalt auf. Kein Patient wird abgewiesen, oft behandelt Lutze bis spät in die Nacht.

Durch die Heilerfolge, die Lutze auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte, erwarb er sich nicht nur einen hohen Bekanntheitsgrad, sondern auch das Wohlwollen König Friedrich Wilhelms IV von Preußen. Die Ärzteschaft Berlins hingegen neidete ihm seine Erfolge und erwirkte beim König 1845 ein Behandlungsverbot, da Lutze keinerlei Nachweise einer medizinischen Approbation vorweisen konnte. Er legt darauf hin ein Examen vor den Berliner homöopathischen Ärzten ab und besteht dieses mit Bravour. Die Medizinal-beauftragten bei Hofe fühlen sich jedoch dadurch verhöhnt und fordern ein Examen vor einem Gremium der Allgemeinmedizin. Wegen Lutzes als respektlos empfundener Rückfrage, „welche Art von Examen die hohen Herren denn zufrieden stellen würde“, eskalierte der Streit und letztendlich muss Lutze gar für mehrere Wochen ins Gefängnis.

Lutze begibt sich 1846 nach Köthen, die Stadt, in der Samuel Hahnemann wirkte, bevor er 1835 nach Paris ging. In Cöthen, wie die Stadt damals noch geschrieben wurde, fand Lutze mit dem Landesherrn, Herzog Heinrich von Anhalt-Cöthen einen überzeugten Anhänger der homöopathischen Behandlungsmethoden, der froh war, wieder einen renommierten Homöopathen in seinem Land zu haben.

Der Herzog gestattete Lutze nicht nur das Praktizieren, sondern erlaubte ihm auch die Herstellung und das Verabreichen homöopathischer Arzneien.

Seine Praxis hatte einen derartigen Zulauf, dass die Stadt schon bald einem Wallfahrtsort glich. Lutze eilte gar der Ruf eines „Wunderheilers“ voraus. Er verordnet strenge Diäten, ohne Tabak, Kaffee, Tee, Alkohol, fette Speisen und glaubte an die heilende Wirkung des Magnetismus. Schon bald richtet er eine Klinik ein um der immer größer werdenden Schar von Hilfe Suchenden Herr zu werden.

Als Herzog Heinrich starb, erkennt sein Nachfolger, Herzog Leopold, Lutzes Approbation nicht an und will ihn des Landes verweisen. Es folgte eine gewaltige Protestwelle von Patienten und Sympathisanten, und der Herzog lenkte schließlich ein. Lutze wurde auferlegt, eine Universitätsprüfung zu absolvieren und den Doktorgrad zu erwerben. Daraufhin studiert er Augenheilkunde in Halle, lernt das Operieren des grauen Stars und schreibt eine Doktorarbeit „De cataractae extractione“ und promoviert 1848 in Jena bei Dr. Aegidi.

Mit seinen drei Söhnen gründete er eine Lehranstalt für Heilpraktiker und beschloss den Bau einer homöopathischen Klinik. Die Finanzierung erfolgte durch den „Lutze-Thaler“ von denen er 100.000 Exemplare auf eigene Kosten drucken ließ, die wegen Lutzes großer Popularität reißenden Absatz fanden. 1855 ist die „Größte homöopathische Klinik der Welt“ fertig gestellt und nimmt ihren Betrieb auf. Am 10. April 1855 wird im weitläufigen Park der Klinik eine Büste Samuel Hahnemanns enthüllt. Die im neugotischen Stil erbaute Klinik verfügt über 72 Zimmer, eine Vielzahl von Krankensälen, eine moderne Warmwasserheizung, ein Gewächshaus und sogar eine Sternwarte. Wer es sich leisten kann, zahlt je nach Klasse 30, 40 oder 50 Taler monatlich für Behandlung, Verpflegung und Unterkunft. Wie schon zuvor, werden Bedürftige kostenlos behandelt.

1860 verleiht ihm der Herzog von Sachsen-Meiningen den Titel Sanitätsrat. Als ob seine Verdienste um die Gesundheit seiner Mitmenschen nicht genug seien, hat er nie aufgehört, Gedichte und Moritaten zu verfassen, die in Köthen stadtbekannt waren.

Trotz seiner Erfolge und seiner unglaublichen Popularität wird er von vielen homöopathischen Ärzten angefeindet. Hauptsächlich sind es die von Lutze verwendeten Hochpotenzen (30. Potenz), und seine als marktschreierisch empfundene Art der Selbstdarstellung.

Als er eigenmächtig Hahnemanns 6. Auflage des „Organons der Heilkunde“ herausgab, und auch noch eigene Gedanken hinzufügt, protestiert Hahnemanns Witwe Mélanie, und renommierte Homöopathen wie Aegidi und von Bönnighausen distanzieren sich öffentlich von Arthur Lutze. Die amerikanischen Homöopathen hingegen unterstützen ihn.

Lutze, der in seiner Autobiographie keinen Hehl aus seinem Hang zum Okkulten macht, berichtet, dass er einen Hellseher nach seinem Todesdatum befragt habe. Das genannte Datum lag so weit in der Zukunft, dass man es unmöglich als realistisch annehmen konnte. Lutze glaubte jedoch fest daran und gab alle von ihm, seinen Patienten gegenüber, propagierten Gesundheitsratschläge auf. Er arbeitete ohne Rücksicht auf seine körperliche Konstitution Nächte hindurch, in der festen Überzeugung, dass sein Todestag noch in weiter Ferne läge.

Arthur Lutze stirbt am 11. April 1870 im Alter von nur 56 Jahren an Überarbeitung. Obwohl er sein Leben lang auf seinen Gott vertraute, glaubte er den windigen Vorhersagen eines Betrügers.

Wenn man damaligen Aussagen glauben mag, hat Lutze in seiner homöopathischen Laufbahn mehr als eine Million Patienten behandelt. Selbst wenn man berücksichtigt, dass er in seiner Klinik in Köthen mit 21 Assistenten arbeitete, ist dies eine unglaubliche Zahl, die von Zeitgenossen schon damals angezweifelt wurde, da die Homöopathie ja die ausführliche Anamnese voraussetzt, für die mindestens zwischen einer halben und einer ganzen Stunde notwendig sind. Durch die gewaltige Zahl von Behandlungen war es ihm jedoch möglich, Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln, wie es in einer normalen homöopathischen Praxis nicht möglich gewesen wäre. Lutze war von seiner, ihm von Gott gegebenen Heilkraft dermaßen überzeugt, dass es schon an Überheblichkeit grenzte. Er behandelte die meisten seiner Patienten zunächst mit Magnetismus, das heißt, er versuchte durch „Handauflegen“ den Patienten Linderung zu verschaffen. Er sah sich als auserwählt, mit Gottes Hilfe und der Kraft seines Glaubens, die Menschen zu heilen. Sein Wahlspruch war: „Der Mensch kann, was er will, doch muss er glauben und vertrauen“. Seine fast schon modern anmutenden Diätvorschriften könnten auch in einer heutigen „Wellnessklinik“ Bestand haben.

Seine homöopathische Klinik bestand bis 1914. Das Gebäude steht noch heute und soll, nach gründlicher Renovierung als Seniorenstift oder Tagungsstätte genutzt werden.

Der Bildhauer Heinrich Pohlmann (1839 – 1917) schuf ein imposantes Lutze-Hahnemann-Denkmal, welches am 15. Dezember 1897 im Köthener Schlosspark, gegenüber der Lutze-Klinik enthüllt wurde.


Fachliteratur – Hinweis:
  • Hahnemanns Todtenfeier: Wesen der Homöopathie (1843). Cöthen 1850 u.ö., 47. Aufl. Cöthen 1903 (50 Auflagen) Leseprobe
  • Lehrbuch der Homöopathie (1858) 8. Aufl. Cöthen 1874 (900 S.), 11. Aufl. - Köthen: Verl. d. Lutze'schen Heilanst., 1887. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf 16. Aufl. Köthen 1933 (Ndr. Schirmer, München 1978)
  • (Hrsg.): Samuel Hahnemanns Organon der Heilkunst. 6. Aufl. Cöthen 1865 (diese durch Lutze stark veränderte Fassung wird von der Homöopathie abgelehnt) (Ndr. Schirmer, München 1982)
  • Anweisung für junge Frauen zum naturgemäßen Verhalten vor, in und nach dem Wochenbette. 4. Aufl. Cöthen 1901
  • Arthur Lutzes Selbstbiographie. Cöthen 1866
  • Gedächtnisbrücke für angehende Homöopathen. 6. Aufl. Cöthen 1890

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